quote:Wien. Im Wirbel um angebliche Rotlicht-Nähe mancher Wiener Polizisten ist eines wenig diskutiert worden: Die unklare Gesetzeslage, die Prostitution und Bordellbetriebe in Wien regelt. Oder besser gesagt nicht regelt: Denn offiziell sind Bordelle in Wien laut Gewerbeordnung gar nicht erlaubt. Das heißt, entsprechende Lokale müssten (spätestens) bei Polizeikontrollen eigentlich gesperrt werden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Straßenstrich, der im bewohnten Gebiet fast überall verboten ist. Dass in Wien dennoch mehrere tausend Liebesdienerinnen oft an belebten Geschäftsstraßen ihre Leistungen verkaufen (dürfen), bedingt also ein mehr oder weniger kräftiges Augenzudrücken aller Verantwortlichen.
„Genau diese unsichere Gesetzeslage führt zur schiefen Optik, wenn Beamte bei jeder Razzia entscheiden müssen, was dulde ich noch und was stell ich ab“, argumentiert der Rechtsanwalt und Sicherheitssprecher der Wiener ÖVP, Wolfgang Ulm. Gemeinsam mit seiner Kollegin und Sozialsprecherin Karin Praniess-Kastner forderte er am Mittwoch eine klare gesetzliche Regelung von Sexarbeit sowie eine Konzession für Bordellbetriebe – nicht zuletzt auch im Sinne der Prostituierten selbst: Immerhin wird deren Tätigkeit im Wiener Prostitutionsgesetz als „sittenwidrig“ definiert.
„Die Lebenssituation dieser meist hart arbeitenden Damen ist geprägt von gesellschaftlicher Ausgrenzung, Stigmatisierung, Abhängigkeit, Schulden und später oft auch Obdachlosigkeit“, betont Praniess-Kastner, „im Ernstfall ist ihre Leistung nicht einmal bei Gericht einklagbar, wenn jemand nicht bezahlt.“
„Deckel“ am wichtigsten
Der ÖVP-Forderung nach arbeits- und sozialrechtlicher Gleichstellung Prostituierter mit anderen Erwerbstätigen haben sich auch die Grünen sowie die Bundes-SPÖ angeschlossen: So wünscht sich SP-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek gleich eine bundesweite Regelung.
Doch die ist nicht einmal auf Landesebene in Sicht: Ein Lokalaugenschein der „Wiener Zeitung“ in städtischen Rotlicht-Vierteln ergab auf den ersten Blick eine relativ friedliche Koexistenz zwischen streifenden Exekutivbeamten und streifenden Liebesdienerinnen. „Wir sind schon froh, wenn die Ladies einen Deckel haben und sich regelmäßig untersuchen lassen“, meint ein Polizist, „so lange die sich unauffällig verhalten und sich Anrainer nicht aufregen, lassen wir sie in Ruhe.“ Notfalls wird weggewiesen, die Damen stehen dann eben eine Ecke weiter.
Die Verkehrspolizisten sind jedenfalls froh, dass sie nur den Straßenstrich kontrollieren müssen: „Die Lokale sind zum Glück Sache der Kollegen vom Kriminaldienst“, sagt ein Beamter erleichtert. Und die haben derzeit ein Imageproblem. Doch das hat ihre Klientel schon immer.
„Sexuelle Ausbeutung“
„Wir stehen auf dem Standpunkt, dass Prostitution in erster Linie sexuelle Ausbeutung von Frauen darstellt“, erklärt Gabriele Philipp, Sprecherin der zuständigen Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) aus Anfrage der „Wiener Zeitung“.
Die Mehrheit der Sexarbeiterinnen würden unfreiwillig arbeiten, wären von Gewalt betroffen, daher sei eine einfache Gleichstellung, wie die ÖVP dies fordere, zu wenig: „Da geht es um eine umfassende Verbesserung der Lebensbedingungen von Prostituierten, das gehört auf breiter Basis diskutiert.“ Die Wiener SPÖ sei dazu bereit, Zeitplan gebe es allerdings keinen. Entsprechende Anträge der Opposition im Gemeinderat wurden bisher aber immer abgeschmettert.
Klare Vorstellungen von legalen Bordellen hat Cassandra Hasewend, grüne Bezirksrätin in der Josefstadt und selbst langjährige Ex-Prostituierte: „Es fängt schon bei der Geschlechterdominanz an – Bordelle mit Frauen sollten auch von Frauen geführt werden; Männer sollten dort nur als Kunden Zutritt haben“, erklärt Hasewend, die auch Obfrau des Prostituierten-Ausstiegs-Vereines A.U.S. im 15. Bezirk ist.
„Wenn die ÖVP es ernst meint mit ihren Forderungen, dann sollte sie auch die Schaffung einer entsprechenden Innung anregen, mit genauen Richtlinien für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Branche“, sagt Hasewend.
Hilfsvereine, wie es sie vereinzelt gibt (Lefö, Sophie) hält sie für reformbedürftig: „Dort sitzen fast nur Leute, die unser Leben aus der Theorie kennen, aber keine Prostituierten.“
Polizeipräsident Peter Stiedl will dazu nichts sagen: „Das ist ein rein politisches Problem, da halte ich mich raus. Eine Art Bordelle wie sie jetzt im Gespräch sind, gab es schon einmal – aber die mussten wir wegen Anrainerbeschwerden wieder abdrehen.“<!-/quote-!>