quote:Bei einer Razzia in Nidau wurden Ende Februar 17 Prostituierte festgenommen. Nur der Betreiber wurde nicht belangt. Und es ist zu vermuten, dass im Hotel Schloss schon bald wieder Frauen ihre Dienste anbieten.
Prostitution ist nicht verboten. «Rund 80 Prozent der Sexarbeiterinnen in der Schweiz arbeiten freiwillig», sagt Martha Wigger von Xenia, der Berner Beratungsstelle für Frauen im Sexgewerbe. «Dabei handelt es sich beispielsweise um Frauen, die keine Ausbildung haben und lieber Sex verkaufen statt Regale im Supermarkt einzuräumen.» Biel hat im Verhältnis zu anderen Städten ein eher grosses Rotlichtmilieu. «Es gibt fast doppelt so viele Sexarbeiterinnen wie etwa in Thun», sagt Wigger.
Der Anteil Illegaler sei aber nicht höher als anderswo. Warum, weiss laut Wigger niemand so genau.
Keine rechtliche Handhabe
Im Hotel Schloss Nidau ist es schon mehrmals zu Razzien gekommen. Trotzdem erteilt der zuständige Regierungsstatthalter Werner Könitzer immer wieder Betriebsbewilligungen. «Wenn jemand ein Gesuch stellt, dann darf ich nicht spekulieren, dass dieser vielleicht irgendwann gegen das Gesetz verstösst», erklärt Könitzer. «Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, muss ich die Bewilligung erteilen. Wird später ein Delikt festgestellt, durch welches die Voraussetzung für die Bewilligung nicht mehr erfüllt ist, wird der Betrieb geschlossen.»
Derzeit ist das Hotel Schloss vom Untersuchungsrichteramt versiegelt, sobald es freigegeben ist, kann wieder jemand eine Bewilligung beantragen. «Über die Nutzung eines privaten Gebäudes entscheidet der Besitzer, der Staat darf sich nicht einmischen», so Könitzer.
In dieser Zeitung hatte er am 1. März die Idee geäussert, dass sich Sexarbeiterinnen behördlich registrieren lassen sollten. Sie müssten sich ärztlichen Kontrollen unterziehen und Steuern zahlen. Das interessiert auch Hans-Jürg Käser, kantonaler Polizeidirektor: «Ich werde diese Idee mit Herrn Könitzer am 26. März besprechen. Ob er tatsächlich die Lösung für ein jahrhundertealtes Problem gefunden hat, weiss ich aber nicht.»
Gäste statt Angestellte
Der Betreiber des Hotel Schloss wurde bei der Razzia vom Februar nicht verhaftet (wir berichteten). Dass ihm nach einer Kontrolle im Dezember die Bewilligung nicht entzogen worden war, hatte laut Käser ermittlungstechnische Gründe. «Wir wollten die Hintermänner erwischen». Es wurden dann auch sieben Tatverdächtige verhaftet.
Die Patrons seien sowieso geschickt darin, keine strafbaren Handlungen zu begehen, erklärt Wigger. Sie bezeichnen ihre Etablissements als Saunaclub. Die Frauen kommen als Gäste, sind also nicht angestellt und der Betreiber macht sich nicht strafbar. «Dann gibt es Animierbars, auch dort sind die Frauen Gäste.» Das kennt auch Käser: «Treffen wir bei einer Razzia auf einen Freier und eine Prostituierte, wird aus dem Freier plötzlich der Freund.» Anders, wenn ein Barbetreiber den Frauen Zimmer vermietet. «Dann muss davon ausgegangen werden, dass er weiss, was läuft», sagt Wigger.
Schliesslich gibt es Nachtclubs mit Tänzerinnen. «Diese mussten bis anhin eine Bewilligung haben und durften nicht als Prostituierte arbeiten. Die Arbeitgeber waren ans Arbeitsrecht gebunden, wie bei allen anderen Jobs», sagt Wigger Doch es gibt auch Missbrauch, so gehen viele Tänzerinnen der Prostitution nach.
Problem Menschenhandel
Und sie sind nicht die einzigen: Zum Beispiel machen sich Frauen mit einem B-Ausweis, die also keine Arbeitsbewilligung haben, strafbar: «Arbeitet eine Touristin, verstösst auch sie gegen das Gesetz. Es spielt keine Rolle, ob sie sich prostituiert oder als Kellnerin tätig ist.» Dann gibt es Frauen, die keine Aufenthaltsbewilligung haben: Sie reisen illegal ein, um Sex zu verkaufen, oder kommen durch Menschenhandel. Manche werden mit falschen Papieren eingeschleust oder reisen als Touristinnen ein, bevor ihnen die Papiere weggenommen werden. Andere kommen über Familienclans, werden etwa von der Schwester geholt.
Kauft ein Freier Sex von einer Frau, die illegal arbeitet, macht er sich laut Wigger nicht strafbar. «Für Freier ist es extrem schwierig zu merken, ob die Frauen legal arbeiten. Bei Menschenhandel ist es eher möglich, da die Frauen oft verängstigt sind.»
Wichtig sei die Sensibilisierung der Gesellschaft. «Bittet eine Frau um Hilfe, sollte der Mann handeln und zum Beispiel Xenia als Anlaufstelle empfehlen.»<!-/quote-!>