Der Empfang von Freiern im „grossen Hotel im Wankdorf“ ist offenbar nicht mehr so einfach.
BernerZeitung, 24.2.
Eigentlich wollte Greta* einfach eine Woche Ferien in der Schweiz machen, Freunde besuchen – so, wie sie es in den letzten Jahren schon öfters gemacht hat. Doch diesmal erlebte sie schon am ersten Tag eine unliebsame Überraschung. Im Hotel Novotel wollte die 24-Jährige einchecken. «Als sie ihren ungarischen Pass zeigte, wurde ihr mitgeteilt, dass sie nicht in diesem Hotel übernachten könne, da sie sehr wahrscheinlich eine Prostituierte sei», erzählt Sabine G.*, eine gute Freundin der jungen Ungarin. Am selben Abend erhielt sie einen Anruf von Greta. Diese war in Tränen aufgelöst, erzählte Sabine G., was passiert war.
Novotel: «Fall unbekannt»
«Ich finde es eine absolute Frechheit», sagt Sabine G. «Meine Freundin ist eine gut aussehende junge Frau und muss sich deshalb so etwas anhören?» Für Novotel-Direktor Christian Schreiner ist derweil klar: «Wir sind ein internationales Unternehmen. Bei uns wird kein Gast auf Grund der Nationalität diskriminiert.» Über den spezifischen Fall ist ihm nichts bekannt. «Natürlich kann ich nicht die Hand ins Feuer legen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Sache wie geschildert abgespielt hat.»
Probleme mit Prostitution
Sicher sei nur, dass am betreffenden Tag das Hotel sehr gut belegt gewesen sei. «Sollte die Frau tatsächlich fälschlicherweise angeschuldigt worden sein, können wir uns nur entschuldigen», so Schreiner. Allerdings gibt er zu bedenken: «Wir haben im Wankdorf sehr viel Prostitution und führen eine ‹black list› mit Frauen, die als Prostituierte bekannt sind.» Grundlage für die Liste: «Die Evidenz», wie Novotel-Pressesprecher Jürg Sigerist lapidar erklärt. «Wenn eine zehn Mal mit einem anderen Mann auftaucht, ist der Fall klar, oder?» Die Namen der betreffenden Frauen sind im Computer gespeichert. Wer auf dieser Liste steht, wird abgewiesen. «Aber das wird sehr diskret gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand offen als Prostituierte bezeichnet wird.» Es sei auch schon vorgekommen, dass tatsächlich Prostituierte im Novotel abgestiegen seien. «Die- se werden dann höflich gebe-ten, unser Haus zu verlassen. Wir können uns das schlicht nicht leisten», so Hoteldirektor Schreiner.
Am Schluss ins «Kreuz»
Ein schwacher Trost für Greta. Auch wenn sie vielleicht einfach das Opfer einer Namensverwechslung geworden ist – die Demütigung bleibt haften. Diesen Urlaub in Bern wird die junge Ungarin jedenfalls nicht so schnell vergessen. Statt im Novotel übernachtete sie übrigens im Hotel Kreuz.
Alle Namen der Redaktion bekannt
«Es gibt keine Blacklist»
«Es gibt in Bern keine offizielle oder inoffizielle ‹black list›, welche die Hotels austauschen», erklärt Patrik Scherrer, Direktor vom Hotel Kursaal Allegro und Vereinspräsident von Bernhotels. Einzig wenn ein konkreter Fall von Trickbetrug oder Zechprellerei vorliegt, warnen sich die Hotels gegenseitig. So ein Fall sorgte vor ein paar Jahren für Aufsehen: Ein Betrüger, der sich vorzugsweise als hoher Militär oder Polizist ausgab, trickste die Schweizer Hoteliers reihenweise aus – bevor er dingfest gemacht wurde. In letzter Zeit sei das «Allegro» allerdings von Trickbetrügern verschont geblieben. Das «Allegro» hat einzelne Firmen gelistet, die in der Vergangenheit durch schlechte Zahlungsmoral aufgefallen waren. «Bei diesen Firmen verlangen wir Vorauszahlung», so Scherrer.
Prostitution sei hingegen unter den Berner Hoteliers «kein Diskussionsthema». Im Übrigen gebe es «praktisch in jedem Hotel weltweit Einzelfälle von Prostitution», so Scherrer. «Ich sehe das nicht so drastisch. Mann kann ja auch spasseshalber darüber streiten, welches Gewerbe das älteste der Welt ist: die Prostitution oder die Hotellerie.»at