ich habe soeben einen bericht in der weltwoche über das sexgewerbe in zh aus sicht der sitte gelesen.
zu empfehlen.
ich habe soeben einen bericht in der weltwoche über das sexgewerbe in zh aus sicht der sitte gelesen.
zu empfehlen.
@flascher, der link hast du vergessen.
weltwoche.ch/ressort_bericht … gory_id=66
@webfly: ich wusste gar nicht, dass die aktuellen berichte auch im netz publiziert werden. mann lernt nie aus.
@flasher, yep im memberbereich
und nur für abonnente der weltwoche,
was eigentlich ein witz ist wenn
ich die zeitung abonniert habe gehe
ich sicher nicht auf das web den
bericht nochmals lesen, oder?
@webfly, das archiv schon. danke.
@weltwocheleser
könnte ev. jemand, der die zugangscodes hat, den bericht reinkopieren?
gruss elvis
Diese Woche
«Lauter umgebaute Thais dort oben»
Martin Beglinger
Strassenstrich verboten, Fensterstrich verboten. Die Prostitution wird in Zürich immer mehr eingeschränkt. Eine Sisyphusarbeit? Unterwegs mit der Sittenpolizei.
«Juanita, das nächste Mal bist du dran, dann zahlst du.»
«Gruzi, Frau Muller, wie geht’s?», ruft Frau Häfliger aus Kamerun. «Gut. Und Ihnen?», fragt Frau Müller zurück. Die schlechte Wirtschaft, klagt Frau Häfliger und rückt ihr Négligé zurecht, die Krise und vorher der Krieg vertrieben die Kundschaft, was auch Frau Hofer und Frau Lampprecht finden, die alle vor ihren leeren Zimmern stehen und freundlich lächeln. Es ist heiss, in der Wohnung riecht es nach Vanille, im Hausgang nach Javelwasser.
Die Frauen wissen, was jetzt kommt. Beflissen zupfen sie ihre Ausweise aus den Handtäschchen, noch bevor sie von Frau Müller dazu aufgefordert werden. Sie haben alle graue B-Ausweise, sind also offiziell mit einem Schweizer verheiratet und folglich mit offizieller Erlaubnis hier an der Arbeit.
Vom oberen Stock kommt Reto Gloor hinunter, Ingrid Müllers Kollege. «Und?» – «Alle kontrolliert, lauter umgebaute Thais dort oben», berichtet Gloor und schmunzelt. Neue Handynummern und Künstlernamen sind notiert.
Wir sind auf Nachttour durchs Zürcher Milieu. Das sind 2500 bis 3000 legal arbeitende Prostituierte. Plus 200 bis 300 Illegale. 300 Sexsalons. Allein 2002 sind 226 Frauen durch Heirat in die Prostitution eingestiegen. Tendenz überall steigend.
«Ohne schlechtes Gewissen ins Bordell»
Nächste Station: Frau Mettler. Routinebesuch. Wir müssen durch jenen Hinterhof, wo der Wirt einen Sprinkler installieren liess, um die Prostituierten mit Wasser von seiner Beiz zu verscheuchen. Völlig daneben, finden sie bei der Sitte. Juanita Mettler kommt aus der Dominikanischen Republik und schafft hier in einem fensterlosen Einzimmerloch an, in dem gerade ein Bett, ein Fernseher und eine Waschmaschine Platz haben. Für 2000 Franken Miete, wie sie sagt. «Juanita», warnt Reto Gloor, «das nächste Mal bist du dran, dann zahlst du!» Neulich hatte er sie aus dem Auto heraus auf der Strasse beim Anwerben gesehen. Was bei 500 Franken Busse verboten ist, wenn es an einem nicht bewilligten Ort passiert. «Reto, bitte, please», meint darauf Frau Mettler. Wie sie überhaupt noch etwas verdienen könne, wenn nur noch Türken und Albaner zu ihr in den zweiten Stock hoch kämen und nicht mehr als 30 Franken zahlen wollten für eine 35-Jährige wie sie. Und dass sich ihr Vater schon lange mit dem Freiergeld aus Zürich im günstigen Kuba die Hüften operieren lassen will, interessiert hier auch keinen. Manche von Juanitas Konkurrentinnen können sich wenigstens in den Fenstern anbieten. Jedenfalls bis vor kurzem. Denn auch dies werden sie nach dem Willen des Zürcher Stadt- und Gemeinderates fortan nicht mehr dürfen. Die Politik will keine Freieraufläufe mehr vor den Fenstern, doch Ingrid Müller und Reto Gloor fragen sich schon heute, wie ein solches Verbot durchsetzbar sein soll. An der Haustüre läuten, sobald ein Frauenbein neben dem Vorhang gesichtet wird? Und falls niemand öffnet? Die Wohnung stürmen? Aber wie? Und treibt man die Frauen damit nicht erst recht wieder auf die Strasse zurück – wo sie ja auch nicht mehr stehen dürfen? Ja, was will man überhaupt? Eine Stadt ohne Milieu? Das Duo von der Sitte hält die meisten Vorstellungen der Politiker für – stopp: Was sie von alledem halten, soll besser nicht in die Presse, sonst, so die Befürchtung, komme der disziplinierende Hammer von oben.
Pro Jahr verzeigt die Zürcher Sittenpolizei 500 Frauen, über 300 Illegale wurden 2002 wieder ins Ausland abgeschoben. Doch für jede Ausgeschaffte schaffen zwei Neue an. «Es wäre gelogen, wenn man behaupten würde, wir hätten die Sache im Griff», meint auch Bruno Probst, der langjährige Chef der Zürcher Sittenpolizei.
Warum sie diese Sisyphusarbeit trotzdem gerne mache? «Weil es sonst noch viel schlimmer wäre», sagt Ingrid Müller, 45 und seit bald fünf Jahren bei der Sittenpolizei. Sie wollte schon als Sekundarschülerin zur Polizei, weil sie damals bereits einen «ausgeprägten Gerechtigkeitssinn» in sich verspürte und glaubte, als Polizistin könne sie «allen Leuten zu ihrem Recht verhelfen». Das sei «unmöglich», sagt sie heute und zündet sich eine Zigarette an. Nach dem ersten Zug kommt die zweite Begründung: «Natürlich hat das Milieu auch etwas Anziehendes. Das Volk dort fordert einen heraus», und darin erweist sich Ingrid Müller mit ihrer Direktheit und ihrem herben Charme als durchaus talentiert.
Und ihr Kollege? Reto Gloor, 39 und erst seit gut einem Jahr Sittenpolizist, erzählt lächelnd, wie eine Bekannte zu seiner Frau sagte, sie habe den Reto im Puff gesehen. «Ich weiss», meinte seine Frau gelassen, «er arbeitet dort.» Das sei «der einzige Beruf», sagt Reto Gloor, «wo man ohne schlechtes Gewissen ins Bordell gehen darf».
Gelegentlich spielt Sittenpolizist Gloor «Freier» – ein ziemlicher Eiertanz. Er soll sich auf der Strasse ansprechen lassen, darf selber aber nicht explizit werden. Erst wenn die Frau konkret wird, zückt er seinen Ausweis. Manchmal werden die in Zeitungen inserierenden Damen auch per Handy in Hotelsuiten bestellt – wo sich Kollegin Müller in der Küche zum Zuschlagen bereithält, falls die Frau keine Bewilligung hat. Der Grat, auf dem sich «die Sitte» bewegt, ist schmal, die Versuchung kann an jeder Ecke lauern. Der kalkulierte Charme ist allgegenwärtig auf den Touren durch die Zürcher Nacht. Auch deshalb sind die Sittenpolizisten nie allein unterwegs.
Freierstatistik und Putzplan
Nächste Station: Jackys Salon. Jacky ist klein, braun, glatzköpfig. Seit dreissig Jahren im Metier. «Ich dachte schon, es kämen vier gute Gäste», seufzt Jacky an der Türe, «stattdessen die Sitte, und erst noch zu viert.» Ist nichts los im Moment, Kriegsfolgen auch hier. Abgesehen davon, klagt Jacky, «musst du den Freiern gopfertori bald eine halbe Hochzeitsnacht umsonst servieren».
Die Preise? – Ab 100. 330 Franken pro halbe Stunde Folterkammer, sagt Valerie. – Mit Gummi? – Gegen Aufpreis ohne. – Und Aids, kein Thema?– Doch, ein grosses. Aber das ist Risiko. – Eines, das man hinnimmt?– Schulterzucken.
Früher war Jacky Personalchef bei einer Baufirma, und als die leider Pleite ging, wandte er sich ganz dem Milieu zu, wo sich vor Zeiten seine Ex feilbot – «aber freiwillig!», schwört Jacky. Solle nur ja keiner glauben, er habe es als Geschäftsführer nur lustig hier, «das ist ein Job wie jeder andere auch. Am Morgen muss ich einkaufen, dann Buchhaltung machen und so weiter.» Zum Beispiel die Neuen begutachten, die täglich hier anheuern wollen, und bei diesem Thema beginnt Jacky sofort wortreich über die bilateralen Verträge und die Folgen des Freizügigkeitsabkommens für seinen Salon zu referieren. Die Schweiz werde seither von Deutschen und Österreicherinnen «überschwemmt». Die sind jetzt bei Jacky gestrandet: Valerie aus Linz, Vanessa aus Stuttgart. Und sobald die Osterweiterung kommt, das sagt auch die Sitte, werden noch sehr viel mehr Polinnen, Tschechinnen und Ungarinnen hier auftauchen. Samt Zuhältern, wie Jacky fürchtet, denn das sei dort noch Brauch.
Hierzulande existiert der Begriff des Zuhälters im rechtlichen Sinne nicht mehr, seit 1992 mit der Revision des Sexualstrafrechts auch die so genannte Kuppelei nicht mehr unter Strafe steht. Kein Haus- oder Wohnungsbesitzer kann mehr wegen überrissener Mieten verzeigt werden. Handkehrum arbeitet heute die grosse Mehrheit im Milieu auf eigene Rechnung. In der Regel liefern die Frauen dem Salonvermieter vierzig Prozent der Einnahmen ab.
Nächster Salon, ein paar Meter weiter.
Am Kleiderkasten in der Aufenthaltsecke hängt die Freierstatistik («Streng», «Französisch» etc.), daneben der Putzplan und eine Warnung, sich nicht von Zuhältern einspannen zu lassen. Auf dem Tisch liegen die Handys, Red Bull und das Kinderkartenspiel «UNO». Warten. Cindy erzählt: «Ich habe vor zweieinhalb Jahren damit begonnen. Da war ich 18 und mit einem Zuhälter verheiratet. Mein jetziger Freund weiss, was ich mache. Vorher war ich Pflegeassistentin, aber ich hatte genug vom ewigen Kotzaufputzen. Dann lieber das hier.»
Melanie: «Wenn auch nur einer aus meiner Familie wüsste, dass ich hier arbeite, gäb’s mich nicht mehr. Ich bin Serbin.»
Es klingelt. Kurze Begutachtung des Kunden auf dem Videoschirm. Dann wird der Vorhang zur Aufenthaltsecke gezogen, und die fünf Frauen reihen sich für den Freier auf. Der zeigt auf Danuta, die blonde Ungarin. Es ist, laut angeschlagener Statistik, ihr achter heute. Melanie hatte noch nicht einen.
Achtung, Kundschaft!
Im unteren Stock des Salons dann ein Drama: Mireille hat keine Bewilligung. Nur Papiere, die sie als Lehrling ausweisen. Trotzdem wird die Sitte vorschriftsmässig Meldung ans Steueramt machen, um sicherzustellen, dass diese «Nebenerwerbsarbeit» Ende Jahr auch anständig versteuert wird. Nun ist Mireille erst recht aufgelöst, weil sie fürchtet, ihr Nebenerwerbsleben werde dadurch auffliegen.
Wechsel ins Niederdorf, an einen der wenigen Orte, wo die Prostituierten zwischen 19 und 5 Uhr «auf den Wackel» dürfen, wie es gelegentlich bei der Sitte heisst. Auf dem Cheminée im Salon steht eine Kennedy-Büste, im Nebenzimmer hängen zwei Teppichklopfer neben Ketten und einem grossen schwarzen Kreuz. Nichts los auch hier, obwohl ein halbes Dutzend Männer von der Strasse hinaufgiert. Einer Abend für Abend und stundenlang, wie die sich auf ihrem Plastikstuhl feilbietende Chantale versichert.
Achtung, Kundschaft! Aus Diskretionsgründen verdrückt sich die Sitte kurz in eins der unbenutzten Zimmer, dann geht’s weiter.
Es ist halb zwei Uhr morgens und das Bankenviertel leer. Ein letzter Besuch bei Sandra. Stuckaturen im Hausflur, der Salon oben stilecht. Riesenräume, drei Meter hoch. Man sitzt auf «Louis XVI» und verkehrt im englischen Himmelbett. Doch auch hier ist wenig Betrieb. Ihre Geschäfte, sagt Sandra, laufen vor allem über Mittag. Ab 350 Franken pro halbe Stunde. «Doch es ist schon ziemlich anstrengend, dauernd Bänklerprobleme abzlose und den Pausenclown für diese Psychopathen zu spielen.»
Gruss
Bundy
thx, bundy!
(ein nicht „weltwocheabonnent“)
mit bestem dank…
gruss elvis
Die Second Floor-Fans sollen doch mal den Absatz betr. Salon im Bankenviertel lesen… die Arroganz geht dort offenbar mittlerweile soweit, dass man seine Kunden öffentlich beleidigt. Wer’s braucht, ist selber schuld.
Dort läufts ja offenbar auch nicht mehr so wie bis anhin, man inseriert nun im TA, u.a. mit dem Vermerk „zu ganz normalen Preisen“… 350 CHF (haben offenbar sogar noch aufgeschlagen) für die (knappe!) Halbestunde - die leben offenbar auf dem Mond bzw. waren die letzten Jahre im Winterschlaf.
Finde den Bericht nicht schlecht, die Weltwoche hat sich vom völlig abgehobenen Intellektuellen-Journal zu einem interessanten Magazin mit kontroversen Artikeln gewandelt. Kenne kein anderes Medium in der Schweiz, das sich traut auch mal politisch unkorrekte Artikel bzw. Meinungen und Aspekte zu zeigen.
danke bundy
guter bericht, als nicht weltwoche lesender zeitgenosse bin ich nun auch wieder informiert…
gruss
vegas
Nun hat auch der Cash versucht auf das moderne Thema einzugehen… cash.ch/index.cfm?kat=1&rub=42&id=143 wobei die Rechnung auf reinen Annahmen basiert (Besucherzahl usw.) Desweiteren wurde auch wieder einmal der ST als Grundlage (Preise) benutzt…