Gerne stelle ich Euch den diskutierten Artikel hiermit zur Verfügung.
quote:Fachliche Begleitung
Ein Hausbesuch bei der teuersten Escort-Agentur auf dem Bankenplatz Zürich: Drei Schweizer Callgirls und der Chefzuhälter erzählen. Die Geschäfte laufen hervorragend.
«In einem faulen Monat verdiene ich 20000 Franken»: Luxusprostituierte Jackie*, 20. Bild: Stephan Schacher
Der Zuhälter trägt einen fliederfarbenen Garnpullover und rahmengenähte Lederschuhe. Feingliedrige Hände spielen mit einem Schlüsselring von Tiffany. Das Gesicht ist markant, das Lachen jungenhaft. Er hat eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Wenn unvermutet Lärm an sein Ohr dringt, zuckt er zusammen. Einst war Boris* Treuhänder in fester Anstellung. Elena arbeitete in einem Sexstudio im Zürcher Kreis 4. Das erfuhr er irgendwann, man liebte sich bereits. Es passte ihm nicht, mit einer Allerweltsprostituierten zusammen zu sein. Er setzte seine Freundin unter Druck: Mach etwas anderes, mach dich selbständig.
Manierlich sitzt der 35-Jährige vor einem Glas Mineralwasser. Das Handy summt im Fünfminutentakt. Seine Kommentare sind knapp. «Ich bring den Wohnungsschlüssel vorbei.» «Schick ihr die Limousine.» «Die Jacht ist leider bereits gebucht.» Boris betreibt heute zwei – von gesamtschweizerisch geschätzten vierzig – Escortagenturen. Seine Frauen sind die schönsten und teuersten, wie ein Blick in die verschiedenen Preislisten zeigt. Dreissig blutjunge Callgirls beschäftigen Boris und Elena in einem wechselnden Angebot: Sie heissen Jasmin, Paris, Pamela, Michelle, Jennifer oder Chanelle. Und immer versprechen sie das Aussehen von Topmodellen und den Gästen ein einzigartiges Vergnügen. Boris’ Businessidee: «Wenn sich die Anzahl an billigen Studios und bordellartigen Institutionen in der Schweiz in wenigen Jahren verdreifachen kann und sich das gesamte Schmuddel-Sexbusiness zum Milliardenmarkt entwickelt, dann muss es auch eine gehobene Klientel geben, die auf dem Trockenen sitzt.»
Fünfhundert Namen stehen in seiner Kundenkartei: je zur Hälfte Geschäftsleute auf der Durchreise und einheimische Anwälte, Ärzte, Piloten. Bordelle der gehobenen Art sind ihnen zu wenig diskret, die Frauen der Sexstudios zu vulgär. Die Körper der Edelcallgirls sehen sie sich im Internet an, als Member können sie sich in die VIP-Lounge einloggen und dort einen Blick auf die Gesichter der Mädchen werfen. Die Garantie, dass die ausgewählte Schönheit – und keine billige Kopie – in Fleisch und Blut zum Treffen erscheine, gehe mit diesem Verfahren einher, erklärt Boris.
Gebucht wird via Mail oder per Telefon, bezahlt mit Kreditkarte oder cash bei der Begleiterin. Es stehen eine Jacht, eine Limousine und ein Luxusappartement mit Tiefgarage und Geheimzugang zur Verfügung. Elena ist für das Organisatorische zuständig.
Die effiziente und möglichst anonyme Abwicklung erotischer Eskapaden erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Escortbranche ist ein selbstsicheres Millionengeschäft geworden, das sich im Flughafen Kloten – zwischen Passkontrolle und Gepäckabfertigung – riesige Werbeplakate leistet und ungeniert mit den luxuriösesten Hotels und Ferienoasen der Welt kooperiert.
Wieso sind seine Frauen die teuersten auf dem Platz Zürich?
«Ich beschäftige ausschliesslich Novizinnen. Also Mädchen, die sich zum ersten Mal prostituieren und noch keine professionellen Attitüden an den Tag legen. Etwas anderes will die gehobene Klientel nicht. Natürliche Schönheit und Unschuld – junge Kindfrauen – sind sehr gefragt.»
Vorbeilaufende Mädchen mustert Boris mit kühlem Kennerblick: «Am Anfang war ich erstaunt; gewissen Frauen hätte ich nie zugetraut, dass sie sich prostituieren würden. Aber heute ist für mich jede Schweizerin zwischen 17 und 28 Jahren eine potenzielle Callgirlbewerberin. Im teuersten Service sichern wir Topmodelqualität zu. Spontanbuchungen sind in dieser Kategorie nicht möglich, der Startpreis liegt bei 1000 Franken. In diesem Preis ist Küssen und Sex in zwei verschiedenen Positionen inbegriffen. Alles andere kostet extra: eine Lesbenshow – je nach Anzahl und Qualität der Mädchen – 2000 Franken, Gruppensex je nach Anzahl Männern etwa gleich viel. Analverkehr ist verhältnismässig günstig: 300 Franken. Natursekt: 200 Franken. Sehr gutes Geld bringen mehrtägige Buchungen und längere Geschäftsreisen ins Ausland.»
Nicht nur wohlhabende Kunden bezahlen viel, um sich ihre erotischen Träume zu erfüllen. Kürzlich habe ein Möbelverkäufer eines seiner Escortgirls in der Bettenabteilung seines Arbeitgebers flachgelegt und dafür tausend Franken bezahlt, erzählt Boris. Auch Mädchen, die nicht im Top-Escort unterkommen, bringen ein ordentliches Scherflein zusammen, der günstigste Tarif liegt bei 380 Franken pro Stunde. Diese Frauen sind ebenfalls sehr jung, schön, kultiviert und mehrsprachig. Aber sie weisen kleine Makel auf: ein paar Kilogramm zu viel, das Gesicht nicht ganz wie ein Model oder älter als 25.
Wie rekrutiert er die Frauen?
«Die Girls bewerben sich in Scharen, wir können auswählen. Viele kommen aufgrund von Mundpropaganda. Im Stil: Ich war am Samstag im Klub ‹Indochine› und habe gehört, dass Sie eventuell Arbeit für mich haben. Elena trifft die Bewerberinnen in einem Café am Hauptbahnhof, also auf neutralem Boden. Sie hat einen Röntgenblick und sieht sofort, ob das Mädchen geeignet ist. Zuerst erklärt sie die Geschäftsbedingungen: Vierzig Prozent des Verdienstes gehen an die Agentur, die Girls knüpfen keine privaten Kontakte und fahren keine Extratouren, die nur ihnen Geld bringen. Verlieben ist ganz schlecht: Dann sind das Mädchen und der Kunde weg. «Was wir bieten, ist die Vision von einer schillernden Welt. Kreuzfahrten, Reisen bis nach Dubai und ein absolutes Spitzensalär liegen für die Mädchen drin. Natürlich bringen wir die Anfängerinnen beim ersten Mal – wenn möglich – nicht mit einem abschreckenden Kunden zusammen, sondern versuchen, den Event so angenehm wie möglich zu gestalten. Bei manchen Mädchen dachte ich trotzdem: Die macht das einmal, und dann ist sie weg. Die Girls sind aber erstaunlich pragmatisch, wenn es darum geht, ihren Körper zu verkaufen. Irgendwie sind sie cool.»
Jackie, 20 - Es ist Samstagnachmittag. Sie will neue Klunker und braucht eine Handtasche. Anschliessend hat sie einen Termin beim Coiffeur. Zurzeit mag Jackie Pullover mit engem Strickbund und weitem Ausschnitt, den sie über die zarten Schultern fallen lässt. Die Jeans stecken in braunen Wildlederstiefeln, an Arm und Fingern funkeln Steine, am Hals Gold. An Jackie ist alles echt und selbst verdient: die Brillanten, die Gucci-Handtasche, die Victoria-Beckham-Jeans. Wenn Sie hundert Meter zurücklegen muss, bestellt sie den hauseigenen Limousinenservice.
Jackies Körperbau ist fragil, die Hüften sind schmal, die Oberweite unspektakulär. Hochmut umgibt sie, eine unwiderstehliche Aura aus Gleichgültigkeit und lolitahafter Sexiness. Sie sieht aus wie 16. Seidig umwehen blonde, lange Haare ein kindliches Gesicht. Aber die pechschwarzen Augen mustern unverfroren jedes Gegenüber.
«Seit zwei Jahren arbeite ich als Top-Callgirl. Eines Tages, als ich wieder mal blank war, surfte ich im Internet und stiess auf die Homepage der Agentur. Mir gefiel das Bild, auf dem eine schöne Frau, umringt von vielen Männern, in einem teuren Auto sitzt und Champagner trinkt. Am nächsten Tag bewarb ich mich, sie erkannten mein Potenzial und teilten mich in der exklusiven Agentur ein. Ich sehe mich nicht als Prostituierte. Als Privatperson hatte ich unzählige One-Night-Stands mit Typen, die mir nicht immer supergut gefielen. Heute arbeite ich fulltime als Escort, aber mein Arbeitsaufwand hält sich in Grenzen: In einem faulen Monat verdiene ich 20000 Franken. Ich erkenne innerhalb von zwei Minuten, wie ein Mann sexuell tickt, und unterscheide dabei zwischen zwei Kategorien: dominant oder submissiv. Die Submissiven sind herzlich und liebenswürdig, die Dominanten ignorieren dich ein bisschen und sind wortkarg. Im Bett will jeder verführt werden. Das Erfolgsgeheimnis ist ganz einfach: Die Klienten suchen das Gegenteil von dem, was sie zu Hause haben. Und generell gilt: Männer mögen Frauen, die nicht wahnsinnig viel reden, ihnen auf keinen Fall die Welt erklären wollen und fähig sind, einen guten Blowjob zu machen.»
Wie war der erste Kunde?
«Es waren zwei. Das Badezimmer des Hotelzimmers war hundert Quadratmeter gross, wir tranken Roederer Cristal, vom Schlafzimmer aus sah man über die ganze Stadt. Der erste Job war total gut. Heute verabrede ich mich pro Tag mit einem, manchmal mit zwei Gästen. Sie buchen mich oft für eine ganze Nacht. Ich trete auch als offizielle Begleitung auf, bin zu den exklusivsten Events eingeladen und mache Luxusreisen. Ich kenne das Milieu, aus dem die gehobene Klientel kommt, ihre Verhaltenskodexe, ihr Stilgefühl und die Wertvorstellungen. Ich wuchs selbst in wohlhabenden Verhältnissen auf und lebte zehn Jahre lang in Südafrika. Mit 14 musste ich zu meinem leiblichen Vater in die Schweiz zurück. Fortan wurde jede Hunderternote zweimal umgedreht. Ich empfand das als demütigend und vor allem als extrem freudlos. Ein paar Fränkli Lohn und am Abend todmüde, das konnte es definitiv nicht sein. In der gehobenen Prostitution hat der Vamp ebenso ausgedient wie der Pamela-Anderson-Typ. Ich bin nicht nur schön, sondern habe auch eine spezielle Aura, das höre ich von jedem. Den Herren trete ich – in bekleidetem Zustand – als wohlerzogenes Fräulein gegenüber, das nicht auf den Kopf gefallen ist. Ein bisschen antrainierte Schüchternheit kann nicht schaden. Das ist der Kick: Die begehrtesten Rennpferde im Stall sehen so unschuldig aus wie Mona Lisa und sind im Bett versierte und willige Gespielinnen.»
Jackie pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht: Irgendwann wolle sie heiraten, bloss Hausfrau und Mutter sein. Sie lebt seit Jahren in einer festen Beziehung. «Mein Freund meint, ich arbeite in einer Bar, das erklärt die nächtlichen Absenzen.» Ist ihr diese Liebe etwas wert? «Sogar sehr viel», sagt Jackie und dreht am Einkaräter an ihrem Ringfinger. Ein Geschenk? «Ja», lächelt sie, «aber nicht von meinem Freund. Der meint, wie alle andern, der Schmuck sei unecht.
Die Chinesen wollen es immer französisch, die Südländer sind auf den Hintern fixiert, die Amerikaner auf die Brüste. Der Schweizer legt sich hin und lässt sich bedienen. Die Deutschen sind die Mühsamsten, weil sie immer zu viel für ihr Geld wollen. Hindus sind besonders experimentierfreudig, Muslime ein wenig einfallslos: Die würden sich auch nie auf orale Aktionen einlassen, weil das im Islam offenbar eine Degradierung der Frau bedeutet. Zu welchen sexuellen Extras es kommt, bestimme ich, und es bringt zusätzlich Geld in die Kasse. Derzeit ist Natursekt en vogue. Die brillantbesetzte Uhr leistete ich mir nach meinem bisher einzigen mühsamen Date. Der Kunde erzählte sechs Stunden lang von seinen Problemen: Frau, Kinder, Arbeit. Tödlich. Sex ist viel einfacher. Am teuersten sind individuelle Perversionen: Vor kurzem wollte ein Kunde, dass ich Brustattrappen aus Gummi trage und er mir die Bluse aufreissen darf. Wenn es ihm Spass macht – es kostete einen Tausender extra. Ein anderer wollte mir den Po versohlen und anschliessend die Haare abschneiden. Ich fand meine langen blonden Haare wertvoller als sein Angebot. Bei 8000 Franken stieg er aus.
Ob ich mich in den vergangenen Jahren verändert habe? Nur zum Guten. Früher war es mühsam. Ich wurde andauernd angemacht, auf der Strasse, im Zug, in Restaurants. Wahrscheinlich signalisierte ich sexuelle Bereitschaft, Männer haben dafür einen siebten Sinn. Seit ich als Escort arbeite und voll auf meine Rechnung komme, reduzieren sich die unverschämten Angebote gegen null.»
Jackie muss gehen. Der Coiffeurtermin. Sie streckt sich lasziv wie eine Katze, die gerade aus dem Dämmerschlaf erwacht ist, schnappt das Handy und bestellt in zackigem Tonfall die Limousine.
Caroline, 22 - Sie hat ein bildhübsches Gesicht: schwarze glatte Haare, Katzenaugen, wunderbare Zähne. Der perfekte Kopf sitzt auf einem leicht pummeligen Körper. Die 22-Jährige trägt eine formlose graue Stoffhose und ein rosa T-Shirt, das über der Brust ein wenig spannt. «Die Geburt, die Italienreise, ich habe ein paar Kilogramm zugenommen», sagt Caroline. Die Lebensfreude hat Ferien. Der Sexappeal streikt. Sie wirkt eher wie ein Vorstadtmädchen, das sich nach Zürich verirrt hat, als ein Callgirl, das in der High Society einen Spitzenverdienst generiert.
«Ich bin multinational und multireligiös einsetzbar und ging auch schon als Araberin oder indische Mischlingsfrau durch. Meine Rundungen sind dann hochwillkommen. Die ausländischen Klienten wollen Huren, die so aussehen wie die Frauen aus ihrem Kulturkreis. Vor ein paar Wochen bekamen wir eine Anfrage aus Genf. Ein iranischer Geschäftsmann bestellte fünfzehn Frauen. Wir mussten in Unterwäsche in der Hotelsuite auf ihn warten. Er kam in Begleitung seiner verschleierten Ehefrau, blieb zehn Minuten, schaute sich ein wenig um und ging wieder. Kostenpunkt inklusive Reisezeit: 25000 Franken.
Ich entspreche den europäischen Modelkriterien allenfalls vom Scheitel bis zu den Schultern und verdiene deshalb nur 400 Franken pro Stunde. Der untere Teil ist verbesserungswürdig. Auch in Stilfragen bin ich manchmal ein wenig unsicher, obwohl mir Elena sagt, was nicht geht: keine Jeans, keine Nuttenschuhe und ganz wichtig – keine buschige Intimbehaarung. Klassik ist gut, die Blusen müssen gebügelt sein, die Farbe Pink ist auch als Lippenstift nicht schön, ebenso wie tonnenweise Make-up, falsche Wimpern und Vinylkrallen aus dem Nagelstudio.»
Anfänglich ist es Caroline peinlich, über die Arbeit zu sprechen, der sie aus einer Notsituation heraus nachgehe: Wegen des Babys, wegen des Kindsvaters, der keinen Rappen bezahle. Klar, sie könnte auch in einem Büro arbeiten. «Aber dort wäre das Monatssalär so hoch wie mein jetziges Wochengehalt: 3000 Franken», gibt sie leicht entrüstet zu bedenken.
«Ich bin nicht perfekt, und trotzdem buchen mich die Kunden. Für diese Männer könnte ich irgendeine Frau sein, die sie im Alltag kennenlernen und aufreissen. Das macht wohl meinen Reiz aus. An meinen sexuellen Darbietungen kann meine Beliebtheit nicht liegen, denn den frivolen Ansprüchen fühle ich mich nicht immer gewachsen. Bei der Arbeit klinke ich das Herz und das Hirn aus, die Zweifel kommen später, wenn ich zu Hause bin. Eigentlich bin ich monogam veranlagt, und alles ausser der Missionarsstellung geht für mich – etwas überspitzt gesagt – in den perversen Bereich. Die Reaktion meiner Mutter, die ich als Einzige über meine Tätigkeit informierte, schockiert mich bis heute. Mama meinte, sie fände das völlig okay, und wäre sie jünger, würde sie auch als Escortgirl arbeiten wollen.
Anfangs wunderte ich mich, wieso reiche, selbstbewusste und teilweise auch gutaussehende Männer für Frauen wie mich ein kleines Vermögen bezahlen. Inzwischen glaube ich, dass es für sie einfach bequemer ist. Sie verbringen ohne Aufwand einen Abend in netter Gesellschaft und haben die Garantie auf Sex. Das Risiko von Ansprüchen oder emotionalen Dramen ist gleich null. In der Sicherheit, dass nichts den häuslichen Frieden gefährdet, gehen sie zu ihren Ehefrauen zurück. Für mich ist das okay. Ambitionen, einmal Hausherrin einer Villa zu werden, habe ich aufgrund meiner Tätigkeit sowieso nicht mehr.»
Piper, 23 - Piper ist 45 Kilogramm schwer und 1,60 Meter gross. Sie ist perfekt proportioniert: eine frische Schönheit, die als Model für Nivea durchgehen könnte. Die Haare sind zu einem schwingenden Pferdeschwanz zusammengebunden, die Haut ist makellos und leicht gebräunt, die kleinen Perlohrringe haben Stil.
«Als ich zum ersten Mal einen alten Mann nackt sah, war ich geschockt. Er war 50. Ein zweites Mädchen musste anreisen und helfen. Das war mein erster Kunde. Seither machte ich grosse Fortschritte. Meine heutige Position in der Agentur ist die eines erstklassigen Rennpferdes. Für sexuelle Extravaganzen stehe ich nicht zur Verfügung. Kürzlich bot mir ein Kunde für Französisch ohne Gummi 5000 Franken. Ich lehnte ab. Es war ein gutes Gefühl. Was ich hingegen akzeptiere, sind softe Sadomasospielchen: Ich lasse mir von Männern, die pro Jahr ein paar Millionen verdienen, die Füsse ablecken oder gebe ihnen den Befehl, auf allen Vieren durch die Präsidentensuite des Hyatt zu kriechen. In solchen Situationen möchte ich lachen, muss aber eine strenge Miene aufsetzen.
Ich besitze etwas, das der Kunde will: Schönheit und Jugend. Der Mann besitzt etwas, was ich will: Geld. So kommt der perfekte Handel zustande. Ich betrachte meinen Job als etwas völlig Normales. Es hat für mich etwas Emanzipatorisches, wenn sich eine Frau für Sexdienste gut bezahlen lässt und dafür in allen Belangen unabängig bleibt. Die Männer wollen mit Frauen ins Bett, aber keine privaten Verpflichtungen eingehen. Daran haben sich die Frauen gewöhnt und nutzen diesen Umstand zu ihren Gunsten. Was soll an diesem Verhalten falsch sein?
Im zivilen Leben arbeite ich als Grafikdesignerin. Zu Hause trinke ich meine Ovo und büffle für die Weiterbildung, gehe ins Fitnessstudio oder mit meinen Freundinnen shoppen. Dreimal pro Woche verwandle ich mich nach Arbeitsschluss in ein Edelcallgirl und verdiene damit Unsummen. Ich liebe es, mich auf eine glamouröse Verabredung vorzubereiten. Wenn normale Arbeitskleidung gefragt ist, wähle ich ein Kostüm von Prada, klassische Lederschuhe mit hohen Absätzen, eine Perlenkette. Darunter trage ich exklusive Dessous. Es darf nie billig aussehen. Seide ist gut, spezielle Farbkombinationen, Volants, breite Spitzenhüftgürtel. Natürlich trage ich auch Strapse.
Manche Klienten wünschen spezielle Outfits: Der Sekretärinnenlook ist populär. Oder sie sagen, ich solle mich so anziehen, wie wenn ich mit Gleichaltrigen eine Party besuchen würde. Die Bitte, mich als Schulmädchen zu verkleiden, lehnte ich ab. Anfänglich arbeitete ich, um meine Schulden abzubezahlen, heute aus Spass und weil ich mir gerne ein gutes Leben gönne. Das Teuerste, was ich mir bisher leistete, war eine Nerzjacke für zwanzigtausend Franken. Es geht nicht darum, dass ich immer das Exklusivste haben muss. Sondern alles, was ich will: Ferien, gute Restaurants und Kleider. Die Überlegung ‹entweder/oder› findet bei mir nicht statt.»
Piper fährt mit ausgestreckter Hand über den Ärmel ihres Kordblazers: «Wenn mir ein Mann heute über den nackten Arm streicht, registriere ich das nicht. Meine Haut hat die Sensibilität verloren, und mein Körper ist ein wenig übersättigt von den vielen sexuellen Kontakten.» Gleichaltrige junge Männer, die sie privat kennenlerne, hätten Angst vor ihr. «Nach der ersten Nacht muss ich ihnen meist klarmachen, dass ich nicht auf Kuschelsex stehe und sie sich das nächste Mal mehr Mühe geben könnten.»
«Meine Kunden sind oft liebe Männer, die ich ziemlich gut mag. Die meisten können ihren Partnerinnen die simpelsten sexuellen Wünsche nicht mitteilen. Einerseits sind die Ehefrauen prüde, anderseits muss ich auch sagen: Die Männer sind als Lover selten top und könnten mehr für ihr Aussehen tun. Die Frauen kritisieren die Männer in diesen beiden Bereichen nur ungern, und irgendwann verweigern sie sich sexuell. So kommt es, wie es kommen muss. Man geht fremd, zu einer Hure oder lässt sich scheiden.
Bei den arabischen Scheichs ist es anders. Sie gehen zwar zu Huren, fassen sie aber nicht an. Die laben sich nur an der weiblichen Schönheit und sind extrem wählerisch. Sie machen regelmässige Castings und schicken Frauen, die nicht ihrem Qualitätsmassstab entsprechen, wieder nach Hause. Der Rest – darunter ich – wird verbal umgarnt. Die Scheichs bleiben immer bekleidet, die Mädchen sind nie nackt. Diese Männer vergöttern uns. Kürzlich gab es für meine Kollegin nach vierstündiger Plauderei einen Diamanten als Belohnung. Sie liess ihn schätzen: Der Klunker war 18000 Franken wert.
Ich muss dem Klienten das Gefühl geben, dass ich gerne bei ihm bin. Sozusagen freiwillig. Ich habe gelernt zuzuhören und kann mich heute auch mit gestandenen Männern vernünftig unterhalten. Nicht ohne Subtilität erkundigen sie sich nebenbei, ob ich auch schon in einem Bordell oder Studio arbeitete, was ich studiere oder jobmässig mache. Wären die Antworten ‹Ja› und ‹Nichts› würden sie sofort abspringen. Ob sich ein Mädchen zum fünfzigsten oder tausendsten Mal für Geld flachlegen lässt, merken sie auch ohne Fragerei sofort, weil sie Erfahrungen mit normalen Prostituierten haben. Im Bett muss ich auch nicht stöhnen, wenn es nichts zu stöhnen gibt. Ich muss bei der Sache sein, kann kein Theater spielen. Das wollen die Kunden nicht. Alles andere ist ihnen zu nuttig.»
*Alle Namen sind der Redaktion bekannt.<!-/quote-!>