Prostitution im Mittelalter

Prostitution, allerorts gern als „ältestes Gewerbe der Welt“ bezeichnet, hat sich mit größter Wahrscheinlichkeit aus Fruchtbarkeitsriten in frühen prähistorischen Gesellschaften aus der im Patriarchat bislang bekannten Form der Tempel-Prostitution gegen Bezahlung entwickelt (vgl. Renate Wurms im „Weiberlexikon“ 1995).

In diesen 2.500 Jahren haben sich zwar die gesellschaftlichen Positionen von Prostituierten je nach Epoche als unterschiedlich erwiesen, die Bedingungen für diese Frauen sind jedoch im wesentlichen gleich geblieben. Renate Wurms sieht den Schlüssel dafür in einem „von Beginn an ökonomisch begründetem Interesse an der sexuellen Unterdrückung der Frau in Klassengesellschaften“: als Produkt einer erzwungenen Monogamie, Ausdruck von Doppelmoral und der Ideologie von der Ware Frau sowie als Möglichkeit für Männer, zumindest für kurze Zeit über einen anderen Menschen, eine Frau, total verfügen zu können.

Macht über Frauen
In einem griechischen Epigramm aus dem 4./3. Jahrhundert v.u.Z. heißt es: „Nimm dir für sechs Obolen Europa, die attische, wo du niemand zu fürchten brauchst, die dir nie widerspricht, die ein untadeliges Bett dir bietet und Heizung im Winter, unnötig, guter Zeus, verwandelst du dich zum Stier“.
In Athen und Rom arbeiteten vor allem Frauen besiegter Völker, also Sklavinnen, kaserniert in Bordellen. Und freie Römerinnen mussten sich ebenso registrieren lassen. Im Zuge der Christianisierung im 6. Jahrhundert und zurzeit Karl des Großen um 800 bestanden gesetzliche Verbote von „Hurerei und Ehebruch“, die jedoch umgangen wurden. Bis ins 11. Jahrhundert wurde Prostitution auf den großen Fronhöfen geduldet, aber gleichzeitig ein Kampf dagegen geführt, der sich als ein brutaler Kampf gegen diese Frauen, nicht jedoch gegen die Männer, die deren Dienste kaufen, erwies. All zu oft mussten dabei Frauen ihr Leben lassen, besonders viele während der Inquisition.

„Ventilsitte“ für Männer
Doch davor blühte im 13. Jahrhundert die städtische Prostitution in sog. „Frauenhäusern“, die später in „Freudenhäuser“ umbenannt wurden, noch einmal - besonders aus finanziellen Gründen - auf. Denn diese Häuser waren der Obrigkeit, dem weltlichen und kirchlichen Adel, unterstellt, die vom Geschäft ganz ordentlich profitierten. Als Rechtfertigung wurden ganz andere Gründe angeführt: aufgrund der Einführung des Zölibats um 1050 und des relativ späten Heiratsalters kamen die Herren unter Druck, der mit der gängigen Auffassung dieser Zeit, die „Körpersäfte“ des Mannes könnten verderben, wenn sie nicht ausgesondert werden - ja mehr noch könnte er sogar daran sterben - , ein rundes Bild ergab. Prostitution diente also zuallererst als „Ventilsitte“ für Männer und als gutes Geschäft für die Herrschenden und zum anderen als „Schutz der ehrbaren Frauen“, wodurch sich die Ausgrenzung der „Unehrbaren“ quasi ganz von selbst erledigte.

Ächtung und Ermordung
Interessanterweise wurde der Begriff „prostituieren“ (lat. prostituere) für „jemanden bloßstellen, entehren“ erst mit dem 15./16. Jahrhundert bekannt. Im etymologischen Wörterbuch von Kluge wiederum wird der Terminus mit der „Preisgebung von sexuellen Handlungen“ übersetzt. Diese negative Konnotation dürfte im Zusammenhang mit der rapiden Schlechterstellung von sog. Dirnen zu dieser Zeit und folgenden Verfolgung und Ermordung von Prostituierten in den Hexenprogromen zu sehen sein.
Denn bis zum 16. Jahrhundert stieg die Zahl der diskriminierenden Verordnungen - Kleidervorschriften, Heiratsverbote, Beleidigung und Vergewaltigung von Prostituierten wurden nicht geahndet, zunehmender Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben, wirtschaftliche und soziale Ächtung - auffällig an. Andererseits besteht im späten Mittelalter ein ambivalentes Bild: Mitleid, Verachtung, Verfolgung und Ermordung auf der einen Seite sowie eine gewisse gesellschaftliche Anerkennung auf der anderen Seite. In einigen Städten wurden den Prostituierten nämlich „Bürgerrechte“ zuerkannt, in Genf und Paris waren sie sogar in Zünften organisiert.

Zuhälterei
Im 18. und 19. Jahrhundert lag wieder eine andere Situation vor. An den Fürstenhöfen Europas gehörte Prostitution zum Alltag, und die Frauen waren im Vergleich zu früher nicht mehr den enormen Zwängen und Gewaltattacken ausgesetzt. Doch im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich die Zuhälterei und mit ihr eine extreme Verachtung: Kasernierung, Registrierung, Stigmatisierung gepaart mit Ausbeutung und Schikanen, die bis heute anhält.

Rita