Da ja (nicht zum ersten Mal) die Frage nach den Verteilern einsamer Herzchen gestellt wurde, welches Verhalten für manche Leute hier uneinsichtig scheint, möchte ich einen neuen Diskussionsstrang eröffnen und meine Diagnose der Sache darlegen:
Es handelt sich ganz einfach um eine Verhaltensweise, die dem Pinkeln eines Hundes vergleichbar ist: Markieren, dass man da war.
Ich habe es in verschiedenen Varianten erlebt. Erstmals bin ich damit konfrontiert worden, als ich eine Stellvertretung für einen beurlaubten Mitarbeiter übernahm. In seinem Bureau gab es einen Gummibaum und eine Stellwandtafel. Diese beiden Objekte wurden nun für Pinkelspiele benutzt: Mal war die Tafel völlig mit Kreidewolken verschmiert (viel Kreide aufgetragen und danach mit wenig Wasser „abgewaschen“), mal lag ein dürres Blatt des Gummibaums exakt platziert neben dem Telephon (dorthin, weit weg vom Gummibaum, konnte es unmöglich gefallen sein), mal auf die bereitgelegte Post obenauf gelegt, immer schön drapiert.
Das Nervige daran war, dass etwa 10 Personen Zugang zu diesem Raum hatten, wovon einige sich sehr, sehr selten überhaupt in dessen Nähe verirrten. Es muss also jemand aus diesem kleinen Kreis gewesen sein. Nach Rückkehr des Beurlaubten hörte das Pinkelspiel augenblicklich wieder auf, und wir haben nie herausgefunden, wer dahinter steckte.
Nicht nachhvollziehbar daran war vor allem, dass das „Pinkeln“ nicht den eigentlichen Inhaber des Bureaus traf, denn der war ja im Urlaub, sondern seinen Stellvertreter, meine Wenigkeit also, gegen die er eigentlich nichts hätte haben dürfen, denn ich hatte vorher eine andere Aufgabe und mit einem ganz anderen Personenkreis zu tun.
Aber darum ging es wohl gar nicht, sondern nur darum, anonym seine Präsenz zu markieren: Seht, ich bin auch da gewesen!
Später habe ich dies wiederum in einem Bureau erlebt, in dem neben zwei regulären Angestellten verschiedene Kräfte gelegentlich arbeiteten. Plötzlich war wieder ein „Hund“ da, der auf seine Weise Präsenz markierte und „pinkelte“, etwa die PC-Maus so verstrickte, dass man sie erst entwirren musste, einen Bleistift genau so hinlegte, dass er wirkungsvoll zur Geltung kommen musste und genau den einzigen freien Ablageplatz versperrte, ein verklemmtes Blatt im Drucker stecken liess u. dgl. Dinge, die für sich genommen nur ganz kleine Ärgernisse darstellten, aber eben auf Dauer durch ihr ständiges Vorkommen doch lästig wurden.
Im Unterschied zum vorher erwähnten Fall war es bald klar, wer das sein musste: Ein sonst stiller, ruhiger, geradezu unauffälliger Mann, der im direkten Gespräch immer nett und hilfsbereit war, aber auch diese halb verborgene Weise doch zeigte, dass er „da“ war.
So ähnlich verhält es sich offenbar mit den überall sichtbaren sogenannten „tags“, und eben auch mit den 1-Herzen-Verteilern: Offen an (auch mir meist neutral erscheinenden) Postings Kritik zu üben, dazu sind sie entweder zu feige oder aber hätten nur Gründe anzuführen, die man ihnen schwerlich abkaufen würde. Aber immerhin haben sie gezeigt, dass sie „da“ waren, und da ja schon die eine oder der andere sich über diese 1-Herzen-Strategie beschwert hat, scheint es auch zu wirken.
Daher möchte ich all denen, die sich davon irgendwie betroffen fühlen, zurufen, sie sollten sich doch einfach vor Augen halten, dass die 1-Herz-Verteiler feige oder unfähig sind. Das dürfte doch wohl den Ärger darüber in Grenzen halten.
So, und jetzt dürfen alle herzlich an dieses Posting pinkeln und ihm 1 Herz geben; ich erteile allen im voraus meine unbedingte und volle Absolution.