Oh, hier ist die Diskussion gelandet.
Fuck (welch ein Pseudonym…), Du hast natürlich recht, wenn Du die Doppelmoral anprangerst. Ich kann nichts tun als Dir sagen, dass ich versuche, nichts anderes zu leben, als ich predige, und nichts anderes zu predigen, als ich lebe.
Welcher Kirche ich angehöre (dies auch an Pamlover) tut nichts zur Sache. Ich sehe mich als Vertreter einer Theologie, die versucht, mehrere Dimensionen zugleich ernst zu nehmen: das, was wir Theologen Wort Gottes nennen, aber auch heutige wissenschaftliche Erkennsnisse, gesellschaftliche Entwicklungen, usw. Diese Art von Theologie überschreitet konfessionelle Grenzen.
Aber ich muss Dir widersprechen, Pamlover. Die Sichtweise, dass die Sexualität etwas Schmutziges ist, ist nicht christlich, sondern gnostisch. Sie hat in den christlichen Glauben auf diesem Weg Eingang gefunden, gehört dort aber, wenigstens nach meiner Überzeugung, nicht hin.
Die Kirche hat sich in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft gewandelt. Die frühe Kirche war in vielerlei Hinsicht fortschrittlicher, aufgeklärter als die Gesellschaft. Klassisches Beispiel ist der Umgang mit der Sklaverei: sie wurde zwar nicht abgeschafft, hat aber in der Urkirche keine Standesunterschiede mehr begründet. Leider wurde diese Tugend nicht bewahrt.
Heute ist es so, dass die Kirche oft hinterherhinkt: erst, wenn ein Thema in der Gesellschaft überreif ist, beginnt auch die Kirche, es zur Kenntnis zu nehmen (Stichwort Stellung der Frau).
Natürlich muss sich die Kirche - auch, aber nicht nur die reformierte - Gedanken über sexuelle Belästigung machen. Jeder verantwortungsbewusste Arbeitgeber muss das. Und warum sollte die Kirche das nicht in Reglementen festhalten?
Und zum Schluss, Pamlover, möchte ich Dir sagen, dass Du einen grundlegenden Irrtum begehst: Du hängst einem Klischee von Kirche an und beurteilst mich und andere als nicht authentisch, da von diesem Klischee abweichend. Ich bin Theologe, und ich bilde mir ein, kein allzu schlechter. Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, was Erbsünde, Eschatologie u.a.m. in heutiger Theologie bedeuten könnten. Es ist nicht inhaltsleer. Ich sehe die Dinge einfach nicht mehr gleich wie Augustinus und seine Zeitgenossen.
Charlie: danke, dass Du mich nicht mit „neurotischen Kirchenheinis“ in einen Topf wirfst. Dass es solche gibt, ist unbestritten. The Wise Guy gibt uns ja ein betrübliches Beispiel aus eigener Erfahrung.
Danke auch für die Threadhinweise. Tatsächlich habe ich natürlich ein gewisses Bild (oder nenn es meinetwegen Vorurteil) von Männern, die ins Puff gehen. Ich bin aber stets bemüht, Vorurteile abzubauen (fremde und eigene). Ich bin mir auch bewusst, oder ich werde mir langsam bewusst, dass vieles, was ich und andere an der Prostitution negativ sehen, gar nicht den „Kern“ der Prostitution (also Sex gegen Geld) betrifft, sondern das „Umfeld“ (also Ausnutzen der Frauen, von Respektlosigkeit geprägtes Frauenbild, und so weiter). Dein Stichwort „Fairness“ scheint anzudeuten, dass es auch faire Prostitution ohne dieses negative Umfeld gibt oder geben kann.
The Wise Guy, danke für Deine offenen Worte. Ich werde Dich ganz gewiss nicht zu missionieren versuchen. Ich verstehe mich in diesem Forum nicht als Missionar, auch nicht als Seelsoger (obwohl ich hier wie anderswo ein offenes Ohr habe, wenn jemand ein offenes Ohr braucht). Ich verstehe mich vielmehr als Theologe, der an einer Diskussion interessiert ist, etwas über Sexualität lernen will, und vielleicht zeigen kann, dass Theologie und Kirche facettenreicher ist, als manche es sich träumen lassen.
Du missverstehst mich, wenn Du denkst, der Glaube sei für mich ein Mäntelchen, das ich um eine soziologische Grundhaltung wickle. Es ist vielmehr umgekehrt: meine psychologischen, soziologischen, etc. Überzeugungen entspringen diesem Glauben. Zum Beispiel dem Glauben, dass der Mensch - dass Du - dass die Prostituierte, die Du besuchst - ein Abbild Gottes ist und als solches Respekt, ja Ehrfurcht verdient. Dass Du diese meine Überzeugung als „verlogenes christliches Mäntelchen“ bezeichnest, schmerzt mich zwar, ich kann es Dir aber angesichts Deiner Erfahrungen, die Du mit dem christlichen Glauben gemacht hast, nicht verdenken.
Wie dem auch sei: ich merke, dass ich auch hier Projektionsfigur bin.
Pax vobiscum,
Amadeus