Gratuliere Rita, Deine Ausführungen gehören zum Gescheitesten und Sensibelsten, was ich bislang in diesem Forum gelesen habe. Es zeigt dass Du Dir nicht nur über den Kopf sondern auch über das Herz im Klaren bist, was da im Bereich von Liebe und Sex abgeht. Du hast treffend aufgezeigt, wie Sex und Liebe getrennt werden kann– oder eben auch nicht. Darüber hinaus hast Du angedeutet, dass Liebe und Sex sehr wohl eine Einheit bilden können – ein Faktum, das namentlich uns Männern manchmal Schwierigkeiten bereitet, denn oft verwechseln wir die Bereitschaft einer Frau, sich (auch für Geld) hinzugeben bereits als ersten Funken der Liebe und, unsererseits, unser Aufgewühltsein durch die sexuelle Ekstase mit ebendieser Frau als Zeichen einer Liebe unsererseits – mit den (mitunter schmerzlichen) Missverständnissen, die immer wieder in diesem Forum – jüngst gerade wieder – nachzulesen sind. Wenn wir in diesem Punkt – nämlich dem Auseinanderhalten von Liebe und Sexualität Schwierigkeiten haben – heisst doch das nichts Anderes als dass wir Schwierigkeiten haben mit der Definition der Liebe. Auch Du Rita, wenn Du ehrlicherweise schreibst, ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen keine Ahnung von Liebe haben. Wie recht Du hast, wir alle haben Schwierigkeiten damit, auch Du (und ich), denn Du tappst Dich zwar an die Definition von Liebe heran, aber letztlich kannst auch Du bloss sagen, was sie nicht ist - auch dies ein (wichtiger) Lösungsansatz… Nun, auch mir fällt es schwer, etwas Festes dazu zu sagen, und Philosophen – seit es solche gibt - haben sich gerade über diesen Themenkreis besonders den Kopf zerbrochen – freilich ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Wir befinden uns also in guter Gesellschaft. Was Du da sagst, Rita, zu einer intakten Kindheit mit der Erfahrung von (ausgewogener) Mutter- und Vaterliebe als Voraussetzung zur späteren Liebesfähigkeit – dh. Gutes (was das immer auch heisst) zu empfangen und zu geben - mag wohl in einem gewissen Masse zutreffen, muss aber nicht. Ich glaube auch Menschen mit allerschwierigster Kindheit sind durchaus zu Liebe fähig. Was könnte also Liebe sein ?
Ich weiss es auch nicht, aber ich will hier einen bescheidenen Versuch wagen. Wie ich es bereits angedeutet habe, sehe ich in der Liebe ein Geben und ein Empfangen von Gutem – und das mit unkonditionierter Hingabe, angestachelt durch ein inneres Feuer. Moment - und hier kommt der Hacken – was heisst „Gutes geben und empfangen“ , denn was für mich gut ist muss ja für den Empfangenden nicht unbedingt gut sein: das heisst ich kann (vermeintlich Gutes) egoistisch tun, nämlich als Projektion meines eigenen ich’s auf den Empfangenden, ohne Rücksicht darauf, dass der Empfangende darunter vielleicht sogar leidet. Dies ist nun nicht Liebe. Wenn ich also unkonditioniert Gutes tun, also lieben möchte, dann braucht es dazu also zunächst ein sensibles Eingehen auf den anderen, wobei sich mir die Frage stellen muss, was für den anderen, den zu Beschenkenden also, Gut ist. Nicht zufällig hat sich aus diesem Tun, dem Eingehen auf den anderen das Wort Zuneigung ergeben, das als Synonym für Liebe gilt. Zuneigen ist nun ein auf den anderen Eingehen: unkonditioniert, ihm geben, was er offenbar braucht. Was ist es, dass uns diese Stärke gibt, den anderen über uns zu stellen? Es ist das innere Feuer, das lodert, und dadurch gespeist wird, dass auch wir solches Empfangen (auch wenn wir solches nicht erwarten – wir geben ja unkonditioniert). Liebe ist also Zuneigung durch unkonditionierte (aber doch möglichst sensibel reflektierte) Hingabe. Ein Geben und ein Nehmen. Dieser Akt, der sich im Praktischen wie im Seelischen abspielt, wird meines Erachtens im körperlichen Bereich, im sexuellen Akt – fast kongenial – unter Einsatz aller Sinne wieder aufgenommen. Auch hier gilt es wieder, zu fühlen, zu denken zu ertasten, zu erriechen und zu erblicken, was dem anderen gut tut. Da an sich gute Liebe sich in gutem Sex reflektieren kann oder umgekehrt - guter Sex in guter Liebe – wird auch klar, dass zu guter Liebe auch guter Sex gehört – woraus folgt, dass beides, Sex und Liebe, eine feste Einheit bilden können (im besten Fall). Das Problem ergibt sich, wenn ausgehend von gutem Sex (wie er zwischen WG und Freier durchaus erlebt werden kann) männerseits illusorisch auf Liebe geschlossen wird – das heisst, wenn über den Sex - in der Art von Interferenzen - in der Übermittlung falsche Signale aufgenommen werden. Hier entstehen Missverständnisse und Enttäuschungen. Da Liebe und Sex ein differenziertes Spiel im seelischen und körperlichen Bereich darstellen, kann Liebe durchaus auch nachträglich aus einem guten sexuellen Erlebnis hervorgehen. Man ist sich sympathisch fühlt sich zu einander hingezogen erlebt die sexuelle Euphorie und geht erst danach gegenseitig auf Entdeckungsreise der Persönlichkeit, um sich - fällt diese positiv aus - in Liebe – in der Bereitschaft unkonditioniert zu geben und nehmen - wiederzufinden. Dies ist wohl von der Charakterstruktur abhängig, ob jemand mehr kopflastig oder über die Gefühlsebene funktioniert. Auch das Umgekehrte kann eintreten, man fühlt sich zur Person hingezogen – bereits hier spielen zwar erotische und sexuelle Aspekte ein Rolle, aber auch andere, die an die denkende und fühlende Persönlichkleit gebunden sind – und findet sich auf einer seelischen Ebene – die bekannte „anima gemella“ - und lässt dann die entstandene Hingabe zueinander – unkonditioniert vollends in das Körperliche in das sexuelle Einswerden einfliessen. Dass, wie Rita aus der Optik der Frau, bemerkt, für die Frau eher der seelische Faktor für Sexbereitschaft und für guten Sex von zentraler Bedeutung ist, lässt sich auch im Umgang mit WGs erleben und bestätigen. Denn auch bei bezahltem Sex kann die Frau nicht (und soll sie auch nicht) über ihren Schatten springen, denn, nur wenn sie sich vom Kunden durch Zuneigung (im Sinne von Eingehen auf den Menschen, seine Persönlichkeit) menschlich aufgehoben fühlt, und sich nicht als reines Sexobjekt vorkommen muss, das es rücksichtslos egoistisch-vampirmässig auszusaugen gilt, kann sie sich wirklich sexuell hingeben- wir nehmen es dann gerne als tolles Erlebnis wahr, und wer, will benotet es dann noch im ST und beschreibt es in höchsten Tönen (letzteres auch der Schreibende). Nur so über eine gewisse gegenseitige Bezugnahme werden dann auch in der Prostitution beidseitig erfüllte Sexerlebnisse möglich, dann ist eben erfüllter Sex – und dies von der GROSSEN Liebe losgelöst – auch in Clubs möglich. Männerseits müssen wir allerdings das unsere dazu beitragen. Wem es gelingt, der erlebt ein Glücksgefühl, das aus geschilderten Gründen oftmals fälschlicherweise als Liebe erlebt wird – eine Illusion, aus der man dann halt mit Schmerzen verbunden aufwacht: „ Keine Rose ohne Dornen, keine Honigbiene ohne Stachel - , die bekannten Bilder aus Kunst und Literatur für solche Erlebnisse, die so alt sind wie die Menschheitsgeschichte. Liebe und Sexualität können durchaus getrennt werden, Erfüllung erbringen sie letztlich vereint. Doch auch einfach und simpel als Würze des Lebens (ohne die grosse Liebe, also losgelöst davon) ist Sex eine wunderbare Sache…
Galeotto fu il libro