Mit der Mathematikstudentin geht’s etwa so… (oder bin ich in der falschen rubrik??)
Unreine Mathematik (ein mathematisches Märchen)
Es war einmal (t = t0) ein hübsches kleines Mädchen mit dem Namen Polly Nom. Das streunte über ein Vektorfeld, bis es an den unteren Rand einer riesigen singulären Matrix kam.
Polly aber war konvergent, und ihre Mutter hatte ihr streng verboten, solche Matritzen ohne ihre Klammern zu betreten. Polly hatte an diesem Morgen gerade ihre Variablen gewechselt und fühlte sich besonders schlecht gelaunt. Sie ignorierte diese nicht notwendige Bedingung und bahnte sich einen Weg durch die komplexen Elemente der Matrix.
Zeilen und Spalten umschlossen sie von allen Seiten, an ihre Oberflächen schmiegten sich Tangenten. Sie formte sich immer multilinearer. Plötzlich berührten sie drei Äste einer Hyperbel an einem gewissen singulären Punkt. Sie oszillierte heftig, verlor jegliche Orientierung und wurde völlig divergent. Sie erreichte gerade einen Wendepunkt, als sie über eine Quadratwurzel stolperte, die aus einer Fehlerfunktion herausragte, und kopfüber einen steilen Gradienten hinunterstürzte. Einmal mehr abgeglitten fand sie sich offensichtlich allein in einem nichteuklidischen Raum wieder.
Aber sie wurde beobachtet. Der glatte Nabla-Operator Curly lauerte rotierend auf ein inneres Produkt. Als seine Augen über ihre kurvig-linearen Koordinaten glitten, blitze ein singulärer Ausdruck über sein Gesicht. Ob sie wohl noch immer konvergiert, fragte er sich.
Er beschloss, sie sofort unsittlich zu integrieren.
Polly hörte, daß das Geräusch eines gewöhnlichen Bruchs hinter sich, drehte sich um und sah Curly mit extrapolierter Potenzreihe auf sich zukommen. Mit einem Blick erkannte sie an seiner degenerierten Kegelschnittform und seinen Streutermen, daß er nichts Gutes im Sinn hatte.
„Heureka“, sagte sie schwer atmend.
„Hallochen“, erwiderte er. „Was für ein symmetrisches kleines Polynom du bist. Wie ich sehe, sprudelst du über vor Sechs.“
„Mein Herr“, protestierte sie, „bleiben sie mir vom Leibe, ich habe meine Klammern nicht an.“
„Beruhige dich, meine Kleine, deine Befürchtungen sind rein imaginär“, sagte unser Operator verbindlich.
„Ich, ich“, dachte sie, „vielleicht ist er am Ende homogen.“
„Welcher Ordnung bist du?“ forderte der Rohling jetzt zu wissen.
„Siebzehnter“, erwiderte Polly.
Curly blickte lüstern drein. „Vermutlich hat bis jetzt noch nie ein Operator auf dich gewirkt“, fragte er.
„Natürlich nicht“, rief Polly entrüstet, „ich bin absolut konvergent.“
„Na komm“, sagte Curly, „ich weiß ein dezimales Plätzchen, wo ich dir die Beschränktheit nehmen könnte.“
„Niemals“, entrüstete sie sich.
„Divgrad“, fluchte er mit dem widerlichsten Fluch, den er kannte. Seine Geduld war zu Ende. Curly liebkoste ihre Koeffizienten mit einem Logarithmenstab, bis sie völlig potenzlos ihre Unstetigkeiten verlor.
Er starrte auf ihre signifikanten Stellen und begann, ihre undifferenzierbaren Punkte zu glätten. Arme Polly. Alles war verloren.
Sie fühlte, wie seine Hand sich ihrem asymptotischen Grenzwert näherte.
Bald würde ihre Konvergenz für immer verloren sein.
Es gab kein Erbarmen, denn Curly war ein zu gewaltiger Operator. Er integrierte durch Substitution. Er integrierte durch Partialbruchzerlegung. Dieses komplexe Ungeheuer wählte sogar einen geschlossenen Zugang, um mittels dem Integralsatz zu integrieren. Welche Schmach, während der ersten Integration schon mehrfach zusammenhängend zu sein!
Curly operierte weiter, bis er absolut und restlos orthogonal war.
Als Polly an diesem Abend nach Hause kam, bemerkte ihre Mutter, daß sie an mehreren Stellen gestutzt worden war. Zum Differenzieren war es aber jetzt zu spät. In den folgenden Monaten nahm Polly monoton ab.
Schließlich blieb nur noch eine kleine pathologische Funktion übrig, die überall irrationale Werte annahm und endlich dem Wahnsinn verfiel.
Die Moral unserer kleinen, traurigen Geschichte: Wenn sie ihre Ausdrücke konvergent halten wollen, geben sie ihnen nicht einen einzigen Freiheitsgrad.
Aus: „Journal der unwiederholbaren Experimente“, Krüger-Verlag