Arbeitsverbot hat Prostituierte in prekäre Lage gedrängt

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Zürcher Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind während des pandemiebedingten Verbots öfters Nötigungen, Betrug und Gewalt ausgesetzt.

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Insgesamt neun Monate durften Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter nicht arbeiten. «Zur Eindämmung der Infektionen mit dem Coronavirus» belegte der Zürcher Regierungsrat das Gewerbe mit einem Arbeitsverbot. Das erste Mal von Mitte März bis Juni 2020, das zweite Mal von Dezember 2020 bis Ende Mai 2021.

Vertreterinnen von Anlaufstellen hatten die Aufhebung des Verbots gefordert – das Geschäft würde ansonsten nur in die Illegalität abrutschen, was die Lage für die Prostituierten noch schwieriger machen würde. Diese Befürchtungen bestätigt nun eine neue Studie weitgehend.

Das verordnete Arbeitsverbot hat Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in der Stadt Zürich in eine prekäre Lage gedrängt. Das zeigt eine Studie des Departements Soziale Arbeit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Forschenden haben dafür Interviews mit 14 Fachpersonen sowie 11 Sexarbeitenden durchgeführt. Die Untersuchung bezog sich auf die Situation in der Stadt Zürich.

Aus den Befragungen ging hervor, dass mehr Sexarbeiterinnen und -arbeiter Nötigungs- und Betrugsversuchen ausgesetzt gewesen waren als vor der Pandemie. Auch Aggressionen und Gewalt nahmen zu. Solche Taten konnten nicht eingeklagt werden, ohne dass sich die Prostituierten selbst belastet hätten. Zudem mussten «mangels Alternativen» auch Freier bedient werden, die vor der Pandemie abgelehnt worden wären.

Ein Grossteil arbeitete auch während des Verbots

Ausnahmslos alle Interviewten erlebten durch die Massnahmen finanzielle Einbussen und Engpässe. Weil ein Grossteil von ihnen aufgrund dieser prekären Situation trotz Verbot weiterarbeitete, sei das Angebot nicht im gleichen Masse wie die Nachfrage gesunken, stellen die Forschenden fest. Denn viele Freier – insbesondere ältere Personen aus Risikogruppen – hätten sich vor einer Ansteckung gefürchtet.

Zudem gaben die Befragten mehrfach an, dass andere Sexarbeitende aus finanzieller Not die Preise drücken würden. Damit wäre es auch ohne kantonal erlassene Verbote zu einer deutlichen Verschiebung der Verhandlungsmacht zu Ungunsten der Sexarbeitenden gekommen, schreiben die Forschenden. Die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hätten dieses Ungleichgewicht zusätzlich verschärft.

Durcheinander nach Verbot, uneinheitlicher Vollzug

Die Forschenden bemängeln die unübersichtliche und unkoordinierte Situation, nachdem der Zürcher Regierungsrat das Arbeitsverbot verordnet hatte. Das Durcheinander entstand demnach, weil er die Unterstützung von Sexarbeitenden Kommunen und Privaten überlassen habe. Auch der Vollzug sei uneinheitlich und unübersichtlich gewesen.

Landesweit dauerte das Sexarbeitsverbot im Kanton Zürich am längsten.

Beruhend auf den Studienergebnissen empfehlen die Autoren, in einem ähnlichen Fall kein Prosititutionsverbot mehr auszusprechen. Die negativen Effekte überwögen gegenüber den positiven, «insbesondere beim Versuch des Contact Tracings mittels Registrierung der Kunden», sagte Studienleiter Michael Herzig in einer Mitteilung der ZHAW. Sinnvoller wäre es, Massnahmen zu entwickeln, die auf die Situation im Sexgewerbe abgestimmt sind und darum auch umgesetzt werden können.

 

Quelle: https://www.tagesanzeiger.ch/arbeitsverbot-hat-prostituierte-in-prekaere-lage-gedraengt-149513167021